Erfahrungsaustausch über die Auswirkungen von Agilität auf Organisation, Arbeit und Führung auf der Agile Leadership Konferenz Nürnberg

Problem-Project-Business-Bullshit-Bingo

von am Montag, 23 Oktober 2017
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Am Dienstag war ich zusammen mit rund 190 anderen Teilnehmern von über 40 Unternehmen aus der Region und darüber hinaus bei der dritten Agile Leadership Konferenz Nürnberg. Bei herrlichstem Herbstwetter und stimmungsvoller Burgkulisse erwartete uns ein vielversprechendes Programm: Im Kern stand die Frage, wie sich Agilität auf Arbeitsbereiche, Organisationen und Führungsstrukturen auswirkt – und wie Unternehmen damit gestalterisch umgehen können.

Die spannenden Erfahrungsberichte von adidas, der Grundig Akademie und DATEV wurden unterfüttert durch einen fachlichen Input von Dr. Hans-Joachim Gergs (Audi) über die „Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung“ und dem furiosen Impuls von Udo Wiegärtner (conplement): „Von einem der auszog das Scheitern zu lernen!“

Das Scheitern – offensichtlich ein Thema, um das wir alle lieber einen großen Bogen machen. Schröder, Mehdorn, Blatter sind nur einige prominente Beispiele, wie sehr man das eigene Scheitern ausblenden und verleugnen kann, obwohl es längst offensichtlich auf der Hand liegt. Und selbst wenn man es merkt, heißt das noch lange nicht, dass man daraus auch die richtigen Konsequenzen zieht: Wer kennt sie nicht, die Sätze aus dem Problem-Project-Business-Bullshit-Bingo: „Das ist noch in Klärung“ – „Das ist eine politische Sache“… Klare Indikatoren für ein Projekt, in dem es offenbar nicht rund läuft und man trotzdem unbeirrt weitermacht. Udo Wiegärtner fordert dazu auf, Scheitern zu erkennen, zu durchschauen und dann – damit zu experimentieren! Nur wer nach dem Scheitern nicht aufgibt, sondern weitermacht, wird weiterkommen. Wiegärtners Paradebeispiel dafür ist Elon Musk, der mit seiner wiederverwertbaren Rakete so lange experimentiert hat, bis es irgendwann doch geklappt hat.

Agil verändert Führung

Bei den Erfahrungsberichten von adidas, der Grundig Akademie und DATEV ging es jeweils um die Frage, wie Organisationen agile Vorgehensweisen einführen können und welche Auswirkungen das wiederum auf Menschen und das Thema Führung hat. Stephan Lobodda (Grundig Akademie) berichtete anschaulich, wie Digitalisierung nach und nach das Arbeitsumfeld und die Prozesse verändere, Führungsmodelle diese Entwicklung aber nicht mitmachten – bis der große Knall kommt. Auch Personalleiterin Julia Bangerth (DATEV) unterstrich, dass es für Organisationen eine wichtige Aufgabe ist, die mit zunehmender Agilität verbundenen Veränderungen hinsichtlich Führungs-, Vertrauens- und Fehlerkultur ernst zu nehmen. Gerade beim Thema Führung wird deutlich, dass die klassische Einheit von fachlicher, disziplinarischer, strategischer und prozessualer Verantwortung einer Führungskraft im agilen Umfeld aufgebrochen wird. Sie wird teilweise auf verschiedene Rollen aufgeteilt – und diese Rollen müssen nicht zwangsläufig von Team- oder Abteilungsleitern besetzt sein. Ein Scrum Master als Prozessverantwortlicher kann auch gut und gerne Mitarbeiter sein.

In der abschließenden Diskussionsrunde wurde insbesondere die Frage, warum es für Führungskräfte so schwierig ist Agilität zuzulassen, sehr intensiv diskutiert. Prof. Krug (DATEV) machte deutlich, dass beim Thema Agilität die Mitarbeiter oft weiter sind als ihre Führungskräfte. Nur wenn beide Seiten offen miteinander reden und voneinander lernen wollen, kann gegenseitiges Verständnis und Vertrauen entstehen. Der Vergleich zum Schiedsrichter im Sport wurde gezogen, der nur bei Regelwidrigkeiten ins Spielgeschehen eingreift und sonst laufen lässt. Dies funktioniert aber nur, wenn gegenseitiger Respekt und Vertrauen als Basis gegeben sind. Bei der Erörterung weiterer Parallelitäten von Schiedsrichteramt und Führungskraft kam auch die Erkenntnis, dass beides offenbar für junge Menschen nicht mehr attraktiv sei. Keiner wolle mehr ehrenamtlich Schiedsrichter werden – und ebenso wenig Führungskraft. Die Diskussion mündete in der provokanten Frage: „Ist Führung dann das neue Ehrenamt?“

Graphic Recording von Achim Schmidt (conplement AG)

Insgesamt war die Konferenz eine sehr spannende Erfahrung. Der NIK als Ausrichter, DATEV als Hauptsponsor sowie Stefan Scherber (DATEV) und Michael Lang (DATEV) als Initiatoren und inhaltliche Gestalter gebührt ein herzlicher Dank, dass sie diese tolle Veranstaltung möglich gemacht haben! Es war – nicht nur ob des wunderschönen Herbsttages – ein tolles Erlebnis, das mir auf jeden Fall viele Anstöße zum Denken mit auf den Weg gegeben hat. Alle Informationen zur Veranstaltung findet ihr unter agileleadershipkonferenz.de oder bei Twitter unter dem Hashtag #ALNU17

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Hier schreibt für euch:

Till Stüve

Leidenschaftlich gerne erzähle ich Geschichten - seit 2012 vorrangig über DATEV. Besonders im Fokus stehen dabei das Unternehmen als Arbeitgeber, die Transformation der Arbeit und Lernen als Schlüsselkompetenz für eine Welt im Wandel.