Eine Preisverleihung ist hier im Blog normalerweise kein Thema, heute aber schon, da sie Anlass gibt, einmal zu berichten, wie soziales Engagement, wenn es sich zur Fachkompetenz hinzugesellt, nicht nur Gutes bewirkt, sondern sich auch auszahlt.
Slapstick-reife Szenen werden eher selten zur Quelle der Inspiration in der IT-Entwicklung, in diesem Fall war es jedoch genau eine solche: Steffen und Christoph Löslein, Zwillingsbrüder nicht nur im Geiste, sondern auch im wirklichen Leben und beide Mitarbeiter bei DATEV, waren im Juni 2020 bei ihrem Lieblings-Italiener zum Abendessen. Also: Corona-Zettel ausfüllen, Name, Telefonnummer, Adresse … Und wer sonst noch so da war, konnte man – wenig Datenschutz-konform – auf der Liste auch gleich mitlesen, und dann kam alles in einen großen Pappkarton mit der Aufschrift „Corona-Anmeldung“. Als den prompt der nächste Windstoß umwarf, ging ein großes Gerenne los, flatterten alle Zettel doch, von hilfsbereiten Gästen gejagt und mehrheitlich wieder eingefangen, im ganzen Biergarten umher.
Schluss mit der Zettelwirtschaft!
Nun trug sich dieses Fanal der Unbeholfenheit eben nicht während der großen Grippe-Pandemie 1920 zu, sondern glatt 100 Jahre später im digitalen Zeitalter, so ganz zeitgemäß wollte Steffen und Christoph dieser ganze Zirkus darum nicht erscheinen. Und so war auch schon die Idee geboren: Eine unkomplizierte Web-App musste her, die keinen der Beteiligten etwas kosten soll und die den gesamten Registrierungsvorgang abbildet! Und schon war man auch mitten in den Details, denn eine solche App muss allen Vorschriften genügen, muss die Daten dem Gastronomen (und nur ihm!) im Bedarfsfall – also bei der positiven Testung eines Gastes – zur Verfügung stellen, ansonsten aber nach der vorgeschriebenen Zeit alle Gästedaten vollautomatsch löschen. Sie muss sowohl für den Gast als auch den Wirt kinderleicht zu bedienen sein und Stift und Papier, die komplette Zettelwirtschaft eben, komplett überflüssig machen.
Noch am selben Abend setzten sich die beiden hin und skizzierten einen ersten Entwurf, wie eine solche App wohl aussehen könnte. Als Dritter im Bunde wurde Dmitry Gorelenkov, ein ehemaliger Kollege mit ins Boot geholt, und das Projekt „App zur Corona-Anmeldung“ nahm rasant Fahrt auf.
Das Entwickler Team der Corona-Registrierungs-App: (v.l.n.r.) Christoph Löslein, Dmitry Gorelenkov und Steffen Löslein.
In zwei Wochen von Null zur Marktreife
In sensationell kurzer Zeit entstand nun in reiner Feierabend- und Freizeitarbeit eine App, die alles leistet, was erforderlich ist. Neben dem praktischen Aspekt, dem Nutzen für Wirte und Gäste, ging es, so Christoph Löslein, freilich auch darum, etwas auszuprobieren und sich einmal mit neuen Technologien außerhalb der DATEV auseinanderzusetzen, also Erfahrung zu sammeln und Neues zu lernen.
Und so funktioniert die App: Gastronomen sich auf der entsprechenden Website einmalig mit ihrem Betrieb, mit Adresse und Ansprechpartner und bekommen im Gegenzug eine auszudruckende Seite zugeschickt, die sie an jedem Tisch auslegen kann. Auf diesem Blatt wird den Gästen das Vorgehen erklärt und als entscheidende Größe prangt in deren Mitte ein QR-Code, der dem Gastronomiebetrieb bei dessen Registrierung individuell zugeordnet wird. Scannt der Gast nun diesen Code, öffnet sich auf seinem Smartphone ein elektronisches Registrierungsformular, auf dem er seine Kontaktdaten und optional auch die Adressen der Begleitpersonen eintragen kann.
Nach dem Absenden der Registrierung wird eine entsprechende Bestätigung eingeblendet, die dem Personal lediglich noch vorgezeigt wird. Damit ist die Anmeldung des Gastes am Tisch vollzogen, auch die Zeit wird automatisch miterfasst, so dass sich der Gast beim Verlassen des Lokals nur noch auschecken muss. Die Daten bleiben auf dem Server und stehen ausschließlich den Gastronomen im Rahmen der gesetzlichen Grenzen in einem geschützten Bereich zur Verfügung. Nach Ablauf der vorgeschriebenen Verwahrfrist werden alle Gästedaten vollautomatisch gelöscht. Der Betrieb kann dem Registrierungsformular noch andere Dokumente anhängen, zum Beispiel die Speisekarte, so dass deren Auslage am Tisch und die wiederkehrende Desinfektion nach jedem Gast entfallen kann. Und das Entscheidende bei alldem: Die App steht allen, Betrieben wie Gästen kostenlos zur Verfügung, ist eine aus Idealismus und sozialem Verantwortungsgefühl geborene Idee, die lokale Gastronomie und Wirtschaft zu stärken
Fulminanter Erfolg – 10 Millionen Menschen nutzen die App
„Anfangs“, so Christoph Löslein, „dachten wir, das ist eine nützliche App für ein paar Monate, bei deren Erarbeitung auch wir selbst einfach jede Menge lernen können, aber wer hätte im Spätsommer 2020 schon damit gerechnet, dass uns die Pandemie bis heute nicht aus ihren Klauen lässt?“ Und so verbreitete sich die App nicht nur rasant, ja sie schoss geradezu durch die Decke, weit über die Gastronomie und die Region hinaus, da auch andere Branchen sie zur Kontaktnachverfolgung in gleicher Weise verwenden können. Inzwischen nutzen rund 16.000 Betriebe und 10 Millionen Privatpersonen die App – ein sensationeller Erfolg.
Ehrenwert-Preis der Stadt Nürnberg
Soviel Engagement, gekrönt von Erfolg, verdient Anerkennung und so erhielt Christoph Löslein, stellvertretend für alle drei Freunde am 24. Februar in einer kleinen Feierstunde aus der Hand von Jury-Mitglied Hartmut Wehr den mit 1.000,– Euro dotierten Ehrenwert-Preis der Stadt Nürnberg. Und damit kommen wir auch zu dem Grund, über all dies hier in diesem Blog zu berichten: Wehr, ehemaliges Vorstandsmitglied der Universa-Versicherung und nun im Ruhestand, berichtete in seiner Laudatio, dass ehrenamtliches Engagement und die soziale Kompetenz, die bei entsprechenden Tätigkeiten und Initiativen erworben werden, als qualifizierendes Merkmal für den beruflichen Aufstieg immer wichtiger werden, und das nicht nur bei der Universa. Wer sich und seine Kompetenz aktiv einbringt in soziale Kontexte, die mit der eigenen Tätigkeit nichts zu tun haben, vermehrt seine Chancen zu beruflichem Fortkommen ganz entscheidend. Nicht nur weil sich darin die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung zeigt, sondern auch die Fähigkeit mit Menschen unterschiedlichster Art zurecht zu kommen und mit ihnen konstruktiv zu arbeiten. Das zählt im Einzelfall, so Hartmut Wehr, viel mehr als diese oder jene gute Note im Examen. Er berichtete auch von erfolgreichen Experimenten mit angehenden Führungskräften, die eine Woche lang ehrenamtlich in der Obdachlosenhilfe gearbeitet und dabei weit mehr soziale Kompetenz erworben und weit mehr gelernt haben als in jedem Management-Seminar. Wenn sich, wie im Falle der drei Laureaten, ehrenamtliches oder soziales, kurzum: Engagement für die Gemeinschaft auch noch mit der eigenen Fachkompetenz – hier als IT-Entwickler – zusammenführen lässt, ist dies eine besonders glückliche Fügung, die Schule machen solle: eine Win-win- Situation für alle Beteiligten, die Akteure wie auch die Gesellschaft, in der sie leben.
v.l.n.r.: Jurymitglied Hartmut Wehr mit Christoph Löslein, Dmitry Gorelenkov und Steffen Löslein
Nichts motiviert mehr als Erfolg
Die Drei arbeiten bereits an ihrem nächsten Projekt, der App www.PunkteBonus.com. Dabei handelt es sich um eine Art App-basiertes Coupon- oder Bonussystem, mit dem der stationäre Handel und die lokale Gastronomie gestützt werden sollen. Große Ketten haben das längst, aber kleine Anbieter eben nicht. Und wieder ist das Ganze für alle Beteiligten, Anbieter wie Kund:innen, kostenlos. Christoph Löslein: „In der Pandemie haben wir uns allzu sehr daran gewöhnt, alles online zu bestellen und liefern zu lassen – zu Lasten des regionalen Handels und der Gastronomie. Dies hat uns veranlasst eine Plattform zu gründen, über die Nutzer:innen ihre lokalen Geschäfte durch das Vor-Ort-Einkaufen unterstützen können und dafür Treuepunkte erhalten. Diese können wiederum in Belohnungen eingelöst werden, die Betriebe und lokale Unternehmen für den Ausbau der Stammkundschaft gewähren. Davon profitieren beide Seiten – Nutzer:innen wie auch viele lokale Betriebe vor Ort.“
Wir bei DATEV sind jedenfalls stolz, solche Kollegen wie die „Löslein Bros.“ in unseren Reihen zu wissen und haben es uns darum auch nicht nehmen lassen, die kleine Feierstunde in unserer Beletage, dem DATEV-Experience-Center mit Sekt und vorzüglichem Imbiss auszurichten.
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Gastautor:
Carsten Seebass ist gelernter Philologe, Redakteur und langjähriger Mitarbeiter der Marketing Kommunikation der DATEV