Es war einmal ein regnerischer Tag im winterlichen Graz. Ich saß wiedermal in der Universitätsbibliothek und lernte für die nächste Prüfung bzw. analysierte Artikel für meine Masterarbeit zum Thema Innovationsplattformen. Allgemein ist das Thema Innovation ziemlich präsent in meinem Leben, da ich doch diesen Bereich von Anfang an als Schwerpunkt in meinem Studium gewählt habe und ich mich sonst auch sehr für neue Technologien interessiere.
Ablenkung beim Lernen
Wie so oft beim Lernen in der Bib bin ich von meinen eigentlichen Aufgaben abgewichen und habe ein bisschen im Internet gesurft. Eines meiner Lieblingsthemen sind dabei die Stellenangebote in Nürnberg, Erlangen und Umgebung. Nach meinem Auslandssemester in Graz brauch ich ja schließlich wieder eine praktische Aufgabe neben dem Studium. Schon vor dem Semester in Graz habe ich in einigen Unternehmen gearbeitet und verschiedene Bereiche durchlaufen. Nun suchte ich nach einer neuen Herausforderung: etwas cooles, hippes und am besten mit viel Innovation sollte es sein.
Ich schaute mir viele verschiedene Anzeigen an: Adidas, Siemens oder doch Schaeffler? Nach einigen interessanten Annoncen und einer weiteren Stunde, in der ich nichts für die Uni gemacht habe, bin ich auf eine Praktikantenstelle im DATEV (Innovation)Lab gestoßen. „Arbeite in Startup-Atmosphäre an innovativen Projekten“, hieß es in der Stellenbeschreibung. Klingt nicht schlecht, dachte ich mir im ersten Moment, aber war auch ziemlich skeptisch. Durch mein BWL Studium an der FAU kannte ich die DATEV natürlich und wusste in welcher Branche das Unternehmen tätig ist: Software für Steuerberater. Nicht unbedingt das coolste Thema aber die Tatsache, dass eine Genossenschaft ein Lab gegründet hat, um in einem mir noch abstrakten Berufsfeld zu forschen und Innovationen auf den Weg zu bringen, machte die ganze Sache wieder sehr reizvoll für mich. Den restlichen Tag habe ich dann mit der Bewerbung verbracht. Na klasse! Wieder nichts für die Uni geschafft, aber wenigstens eine Bewerbung für das DATEV Lab abgeschickt.
Nach einem Telefonat und einem persönlichen Gespräch war es vollbracht. Ich habe es geschafft. Das Praktikum konnte nach meinem Auslandssemester im Februar starten. Nach einem schnellen Umzug aus Graz war nun der erste Arbeitstag gekommen. Ich war schon sehr gespannt, da ich gleich von Anfang an mit an einem Projekt mitarbeiten darf. Das Projekt trug den Namen „Konzeptstudie“.
Zum Kick-off des Projektes saßen dann acht Kollegen im Projektraum und stellten sich vor. Der Großteil arbeitete schon einige Jahre bei DATEV und hat auch schon viele verschiedene Bereiche im Unternehmen durchlaufen. Die Vielseitigkeit des Unternehmens ist mir hier zum ersten Mal sehr deutlich geworden.
Die erste Aufgabenstellung: „Vergiss alles was du über DATEV weißt!“
Das Ziel der Konzeptstudie ist die Visualisierung von möglichen Veränderungen im ökonomischen Umfeld in den kommenden 10-15 Jahren und deren Auswirkungen. In sieben Wochen sollen die zukünftigen Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen von Technologie über Gesellschaft bis hin zu Politik und Wirtschaft von den Projektteilnehmern – zusammengesetzt aus Mitarbeitern verschiedener Abteilungen des Unternehmens – beleuchtet und diskutiert werden. Anfangs mit einem sehr breiten Sichtfeld und am Ende im direkten Umfeld der DATEV. Die Ergebnisse sollen inspirieren und zur Diskussion anregen. Außerdem sollen wichtige Impulse für Innovationsprojekte im DATEV Lab entstehen.
Die erste Aufgabenstellung hieß daher: „Vergiss alles was du über DATEV weißt!“ Schon irgendwie eigenartig, wenn man bedenkt, dass man am Anfang eines Jobs immer versucht so viel wie möglich vom Unternehmen kennenzulernen. Aber in diesem Fall war es genau richtig, um die Gedanken so weit wie möglich zu öffnen und neue Inspiration zu gewinnen. Keine Einschränkungen durch Technologie, Gesetzgebung oder Gesellschaft. Das einzige was zählte, war die Vision. Zukunftsforscher informierten uns über die Trends der Zukunft. Von Virtual Reality bis hin zu künstlicher Intelligenz oder Sprachsteuerung. Sie beleuchteten alle Themen, waren sie noch so weit vom DATEV-Umfeld entfernt.
Nach der Inspirationsphase sind einzelne Visionen entstanden. Manche eher ein bisschen düster und manche mit viel Optimismus und innovativen Technologien. Nachdem wir also die Spannungsfelder definiert hatten, durften wir den Bezug zur DATEV herstellen. Natürlich waren viele der entstandenen Visionen sehr weit gefasst und an manchen Stellen noch unrealistisch, aber sie gaben einen Eindruck in welche Richtung sich die Welt verändern kann und welche Rolle der Steuerberater und die DATEV dabei spielen könnten.
Neben den vielen verschiedenen Kreativmethoden wie zum Beispiel „World Café“ und „My Science-Fiction“, war es sehr interessant zu sehen, wie die Kollegen über die Zukunftsszenarien diskutierten und sich immer wieder dazu ermutigten die sogenannte DATEV-Brille abzulegen. Freies Denken, egal um was es ging! Die Techniken dienten als kreative Unterstützung und halfen uns beim Strukturieren der Gedanken. Besonders beim „World Café“ konnten eigene Ideen durch die Impulse der anderen Teilnehmer erweitert werden und als Diskussionsgrundlage dienen.
Die Konzeptstudie ist vorbei….was nun?
Ich denke einen besseren Einstieg ins Unternehmen als mit der Konzeptstudie hätte es nicht geben können. Ich habe in kürzester Zeit die Möglichkeit bekommen das Unternehmen und die Prozesse kennenzulernen und mit verschiedenen Kollegen aus den unterschiedlichen Bereichen zusammenzuarbeiten. Doch wie geht es nach der Konzeptstudie weiter? Was werden meine zukünftigen Aufgaben sein? Ich gebe zu, dass ich ein wenig bedenken hatte. Während der Studie wurde ich als vollwertiges Teammitglied gesehen und nicht als Praktikant oder Student. Doch wie wird es jetzt nach dem Projekt? Darf ich dann immer noch mitgestalten und meine Ideen äußern? Oder werde ich an meinem Computer hocken und auf Aufgaben warten, die ich dann kommentarlos erfüllen darf.
Ich wollte endlich auch mal eigenverantwortlich kleinere Projekte übernehmen und nach meiner Meinung gefragt werden! Alle Bedenken waren umsonst. Auch jetzt nach der Konzeptstudie hat sich nix an der Situation geändert. Ich bin ein vollwertiges Mitglied im Lab-Team. Darf an verschiedenen Projekten mitarbeiten und mich engagieren und werde auch von allen Kollegen miteinbezogen. Kein passives und stumpfes Aufgabenerfüllen, sondern ein aktives Mitgestalten. Ich bekomme hier die Chance ein kleiner Unternehmer zu sein mit Mitspracherecht, aber auch Verantwortung und Pflichten.
Das kreative Umfeld, die neue Technologien und das Tüfteln an Innovationen macht viel Spaß, aber ich erfahre auch jeden Tag aufs Neue: Die Zukunft ist harte Arbeit!
Über den Autor
Tu Ha-anh unterstützt das Team vom DATEV Lab seit Februar 2017. Er studiert im Moment International Information Systems an der FAU in Erlangen-Nürnberg.