Was sind das eigentlich für Menschen, die für DATEV arbeiten? Ein IT-Unternehmen mit 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zieht logischerweise das Naheliegende an. Informatiker, Wirtschaftsinformatiker, BWLer, Juristen – ein typischer Experten-Kompetenzpool für wohl jedes größere Unternehmen in Deutschland. Dazu eine Beimischung aus Geistes- und Sozialwissenschaftlern. Und dann gibt es immer wieder bunte Kompetenz-Einsprengsel, die aus dem gängigen Studienraster ausscheren und gerade deshalb DATEV zu einem besonderen, bunten, ja diversen Unternehmen machen. Menschen, die argumentativ auch Kontrapunkte setzen und durch ihre eigene Sichtweise Projekte und Themen bereichern.
Joanna Nogly Aleksic ist mit ihrer Studienkombination vermutlich die Einzige bei DATEV – und hat es weit gebracht. Seit Anfang Oktober 2020 ist sie die Assistentin unserer COO Julia Bangerth. Wir haben uns mit ihr unterhalten.
Joanna, was hast Du studiert?
Ich habe im Bachelor Philosophie und Kulturgeographie und im Master Kulturgeographie an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen studiert, mit je einem Semester in Island und Ecuador.
Was war Deine Motivation für die Wahl Deiner Studienfächer?
Zunächst habe ich mich für „Integrated Life Sciences“ entschieden, eine Mischung aus Biologie, Chemie, Physik und Mathe. Das hatte ich gewählt, da ich mich sehr für Bioethik interessiere. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass ich die Ethik spannender finde als den naturwissenschaftlichen Part. Ich habe mich dann ganz profan von der Studienberatung beraten lassen. Damals fühlte ich mich etwas verloren. Von dort kam der Impuls zu Philosophie. Zuerst war ich skeptisch, da ich nicht genau wusste, was mich erwartet. Aber es stellte sich heraus, dass die Philosophie genau die Fragen angeht, die mich umtreiben. Auch die Methodik – analytisches Denken und Logik – waren genau mein Ding. Kulturgeographie erwies sich mit ihrer Kombination aus Sozial- und Naturwissenschaft als ideale Ergänzung.
Kamen während Deiner Studienphase irgendwann mal Zweifel auf, ob die Fächerkombination so zukunftsträchtig ist?
Nein. Von meinen Eltern, Migranten aus Polen, lernte ich früh: „Irgendwie kommen wir immer durch.“ Mein Vater hat lange studiert, dann bei Siemens gearbeitet und ist heute selbstständig. Meine Mutter hatte in Polen Polonistik studiert und dann in Deutschland als Altenpflegerin gearbeitet. Diese Einstellung gab mir die innere Freiheit, das zu studieren, was mich interessiert und mir Spaß macht. Ich bin mit 18 von zu Hause ausgezogen und verdiente meinen Lebensunterhalt. Das waren nicht alles total elaborierte Jobs, aber sie sicherten meine Existenz. So konnte ich mich bei der Studienwahl auf das konzentrieren, was mich fachlich interessiert.
Wie lief dann der Einstieg ins Berufsleben?
Ich habe recht lange studiert, einerseits, weil ich mir bewusst Zeit ließ, z.B. um andere Projekte zu verfolgen, andererseits aber auch, weil ich nicht wusste, was ich danach machen soll. Während des Studiums orientierte ich mich in Richtung Wissenschaft und Journalismus. Letztlich habe ich mich aber dann dort nicht gesehen, denn in beiden Bereichen ist der Konkurrenzdruck hoch, es gibt fast schon eine Verpflichtung zur Selbstvermarktung. Dafür bin ich nicht so der Typ. Gegen Ende meines Masterstudiums war ich ehrlich gesagt schon etwas „lost“. Ich bin der Überzeugung, dass ganz viele Unternehmen, Institutionen, NGOs oder Vereine Menschen wie mich mit einem geistes- oder sozialwissenschaftlichen Studium brauchen können, aber diese Kompetenzen stehen selten explizit in den Ausschreibungen. Also, eine Philosophin sucht direkt niemand. Ich habe mich dann sehr breit orientiert. Letztlich war es Glück auf eine Stelle zu stoßen, die mir so sehr zugesagt hat.
Du hast vor dem Einstieg bei DATEV auch schon für NGOs gearbeitet. Was prägt dieses Engagement?
Neben dem Studium engagierte ich mich für Nachhaltigkeit. Ich hab vor allem zwei Projekte vorangetrieben und mitgegründet: Den „Stadtgarten“ in Nürnberg und später die „Solidarische Landwirtschaft (Solawi)“ in Erlangen. Es ist fantastisch, was entstehen kann, wenn Menschen sich zusammentun! Der Stadtgarten ist auch ein offener, sozialer Raum, in dem alle sich mit eigenen, kreativen Projekten einbringen können: Bienenvölker, vegane Kochkurse, Projekte mit Kitas oder ein Saatgutfestival für seltene Gemüse- und Obstsorten wurden z.B. so etabliert.
Aber ein zentrales Learning für mich bei diesen Projekten war: wenn mal wieder wer sagt „Man könnte doch mal…“ entgegne ich mittlerweile: „Ja, dann mach doch!“ Denn an guten Ideen mangelt es nicht. Der Weg zur Realisierung ist häufig geprägt durch viel Tatendrang, Engagement und Spaß, aber es ist schon auch ein steiniger. Bei der „Solawi“ haben wir gemerkt, dass wir zum Teil eine Gruppe urbaner Akademiker waren, die sich für ökologische Ernährung und Landwirtschaft engagieren wollten. Dann arbeitet man mit „echten“ Bauern und stellt fest, dass die Ideen „der reinen Lehre“ in der Realität nicht 1:1 umzusetzen sind. Ein Hof, der seit 50 Jahren existiert, kann zum Beispiel nicht von heute auf morgen auf eine solidarische Landwirtschaft umgestellt werden. Da braucht es Zwischenschritte, die mitunter auch sehr lange dauern. Die Tücke liegt also in der Realität.
Was kann dabei helfen?
Vernetzung! Das funktioniert ja inzwischen super übers Internet und soziale Medien. Im „Stadtgarten“ organisierten wir 2014 ein Sommercamp. Dazu waren Projekte aus ganz Deutschland eingeladen, die sich alle „urban gardening“ nannten und trotzdem in ihrer Ausgestaltung völlig unterschiedlich waren. Man kann so viel voneinander lernen, es muss nicht jeder die gleichen Fehler wiederholen. „Best Practices“ sind Gold wert. Ich verstehe nicht, warum sich in anderen Bereichen nicht durchsetzt, verstärkt auf „Best Practices“ zu setzen.
Wir sprechen in Pandemie-Zeiten miteinander und der Radius jedes einzelnen von uns ist gerade sehr überschaubar. Du bist schon viel gereist und hast einige Zeit im Ausland verbracht. Empfehlenswerte Erfahrungen gesammelt dabei?
Schwieriges Thema. Wir stecken da alle in einem riesengroßen Dilemma. Ich sage das mit Blick auf die Klimakrise. Das ist sehr ambivalent. Wir sehen diese Herausforderung unserer Gesellschaft, gleichzeitig tragen wir den Großteil dazu bei, dass wir uns in der Situation befinden. Wenn jemand drei Mal im Jahr nach Ecuador fliegt, kann man das nicht durch Shopping im Bioladen ausgleichen. Das funktioniert nicht. Auf individueller Ebene sage ich zu Reisen natürlich: Unbedingt. Im Ausland auf sich selbst gestellt zu sein, aus der eigenen Komfortzone rauszukommen – und nein, im Resort in der Türkei am Strand chillen zählt nicht dazu! – davon kann man viel lernen, das prägt einen Charakter. Ich habe dort verinnerlicht, dass ich immer Leute finde, die mich unterstützen oder bei Problemen helfen. Immer. So habe ich eine gewisse Gelassenheit entwickelt. Aber auf der Metaebene betrachtet: Ja, Reisen ist wertvoll, aber wir werden es so gestalten müssen, dass uns das klimatechnisch nicht auf die Füße fällt. Und zwar schnell.
Was mir noch wichtig ist: Viele haben den Anspruch, ein Globetrotter sein zu müssen. Das ist sicher auch der Einfluss sozialer Netzwerke wie Instagram. Wenn man nicht gerne reist, ist man nicht cool oder weltoffen. Aber wer sagt das überhaupt? Ich glaube, es kann bereichernd und befreiend sein, sich einzugestehen, dass man nicht der Typ dafür ist, ständig unterwegs zu sein. Und das ist OK so!
Du bist seit Anfang Oktober Assistentin unserer COO Julia Bangerth, ein Job, den Du wirklich haben wolltest. Was hat Dir die Straße zum Erfolg geebnet, um die Stelle zu bekommen? Was kannst Du anderen mitgeben, die auch eine ganz bestimmte Position im Auge haben?
Ich glaube, es ist wichtig, neben Studium und Beruf den eigenen Neigungen und Interessen zu folgen und sich auszuprobieren! So sammelt man wertvolle Erfahrungen und entwickelt Fähigkeiten. Konkret ist es für mich persönlich immer der richtige Weg gewesen, mich nur dann zu bewerben, wenn ich wirklich von einer Stelle überzeugt war. Diese ehrliche Begeisterung nimmt das Gegenüber wahr, egal ob in der schriftlichen Bewerbung oder im persönlichen Gespräch. Natürlich muss ich trotz aller Begeisterung und Motivation für eine Stelle die wichtigsten Kompetenzen dafür mitbringen. Und nicht zu unterschätzen: Die Formalien müssen passen! Also bei einer schriftlichen Bewerbung Grammatik, Rechtschreibung, Layout. Ich glaube: wenn man das beachtet hat man bei jedem Personaler schon mal ein Stein im Brett.
Du bist seit etwas länger als einem Jahr bei DATEV und hast noch einen relativ unverstellten Blick aufs Unternehmen. Wo siehst Du Baustellen?
Bei meinem Herzensthema, der Nachhaltigkeit. DATEV ist für mich als Arbeitgeber sehr attraktiv, weil wir eine Genossenschaft sind und damit andere Möglichkeiten haben als AGs oder inhabergeführte Unternehmen. Und DATEV macht schon wirklich viel in Sachen Nachhaltigkeit. Aber ich wünsche mir so sehr, dass wir an der Stelle mutiger werden, unsere Vorreiterrolle stärken: das grüne Quadrat als Leuchtturm für Nachhaltigkeit! Von einem stringenten Nachhaltigkeitskonzept – in allen Bereichen – kann DATEV auch wirtschaftlich langfristig nur profitieren, davon bin ich überzeugt. Die Teilstrategie Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Schritt. Aber jetzt gilt es, diesen konsequent mit Leben zu füllen und umzusetzen!
Unsere Interviewpartnerin Joanna:
Titelbild: Photo by Deva Darshan on Unsplash