19. Amerika-Abend des Albrecht Dürer-Gymnasiums und der DATEV

Von Nürnberg nach Wetumpka

von am Donnerstag, 14 Juli 2016
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Im inzwischen 19ten Jahr unterstützt die DATEV Schülerinnen und Schüler des Dürer-Gymnasiums, um ihnen einen einjährigen Aufenthalt in den USA zu ermöglichen. Am 6. Juli kamen im IT-Campus alle zusammen: Die Erfahrenen und die Neugierigen, die aktuellen Rückkehrer und die, die jetzt aufbrechen, dazu Eltern, Lehrer und natürlich DATEV, der Gastgeber, – zur „Welcome and Farewell-Party“.

Sie wissen nicht, wo Wetumpka liegt? Das ist keine Schande, handelt es sich doch um ein Nest mit 6.000 Einwohnern nördlich Montgomery im tiefsten Alabama. Lektion 1: Wer sich am Dürer-Gymnasium für ein Highschool-Jahr in den USA entscheidet, hat wenig Einfluss darauf, wohin es ihn verschlägt. Interessen („Sport“ …) und elementare Vorlieben („warmes Klima“ …) werden zwar vorab erfragt und, soweit möglich, berücksichtigt, doch den Wohnort und damit die Gastfamilie kann sich niemand aussuchen. So kam denn einer der Schüler, der jetzt gerade zurückgekehrt ist, eben nach Wetumpka. Klima (tropisch) und Sport (Basketball) ganz wie gewünscht. Lektion 2: Die Gastfamilien sind „ganz anders“, und damit beginnt die eigentliche Erfahrung dieses Auslandsjahres: Die Begegnung mit Menschen, deren Hintergründe völlig andere sind als die eigenen, verbunden mit dem Erfordernis, sich auf deren Lebenswelt ein Jahr lang vollkommen einzulassen. Nicht für jeden eine leichte Übung, weshalb es manchmal Heimweh und zuweilen auch Konflikte gibt, die öfter als man denkt in einen Wechsel der Gastfamilie münden. Lektion 3: Die Versöhnung mit menschlicher, ja „allzu menschlicher“ Widersprüchlichkeit (die natürlich auch uns selbst eignet, am Fremden jedoch ganz anders wahrgenommen wird) und damit wohl der größte Schritt charakterlicher Reifung, den die Gastschüler vollziehen. Denn die Klischees: Irgendwie stimmen sie natürlich schon – und zugleich eben doch auch überhaupt nicht. Da gibt es zum Beispiel diese Gastfamilie in Alabama: Rednecks, wie sie im Buche stehen, Waffennarren, die mindestens einmal pro Woche auf die Jagd gehen, dabei religiös tief verwurzelt, die Flagge der Konföderierten am Truck und wohl auch nicht ganz frei von gewissen Ressentiments, über die man im heimischen Deutschland – gelinde gesagt – die Nase rümpfen würde. Schlechte Aussichten? Sollte man meinen.

Alles anders als gedacht

Doch dann entpuppen sich diese Leute völlig unerwartet und jedem Klischee zum Trotz in einer Weise als herzlich, fürsorglich, humorvoll, anteilnehmend, großzügig und ideenreich wie man’s – siehe oben – von solchen Menschen nie erwartet hätte, die aus der Ferne als „narrow-minded-people“ durch das eigene Wahrnehmungsraster hindurch und damit einer gewissen Missachtung anheimgefallen wären. Die Maßstäbe verschieben sich nicht einfach nur in diesem einen Jahr, sondern geraten als solche selbst auf den Prüfstand. Vielleicht der größte Gewinn. Die einfache Antwort gerät in Revision, die politische Phrase, die gerade amtierende öffentliche Meinung, das, was-man-halt-so-zu-wissen-meint über den anderen, der abschließende Bescheid, der einem vormals allzu glatt über die Zunge gegangen wäre – von nun an sind sie verdächtig. Vielleicht der eigentliche Ertrag eines solchen Jahres.

Rückkehr als Erwachsene

Und von dem wurde – stellvertretend für die 12 Rückkehrer – von vier Schülerinnen berichtet (überhaupt: dreimal mehr Mädchen als Jungen im Rennen; werden doch wohl nicht auch auf diesem Felde glatt abgehängt?). Was sich dann auftat, waren durchaus persönliche, auch von Emotionen geleitete Bildpräsentationen in denen alles noch einmal Revue passierte. Namentlich eines der Mädchen (gerade zurück aus San Antonio, Texas) beeindruckte nicht nur mit einem Vortrag in nahezu makellosem Englisch, sondern auch durch Strahlkraft, Inspiration, Pointen-Sicherheit, ja ein geradezu schauspielerisches Talent und wirkte ungeachtet ihrer erst 16 Jahre auf eine fast beängstigende Weise erwachsen. Selbst der texanische Akzent, der sich ganz unvermeidlich eingesenkt hat, wirkte aus ihrem Munde charmant. Hoffentlich haben sich unsere Kollegen aus dem Recruiting ihren Namen sofort notiert! Überhaupt: Interessant, wie sich in einem zehnminütigen Vortrag über das letzte Jahr manche Konstanten einer ganzen Persönlichkeit offenbaren: Aufmerksamkeit und Sensibilität, die Fähigkeit zu Analyse und Einordnung, das erzählerische Vermögen, die Erlebnisfähigkeit wie auch deren Gegenteil, alles im Grade ihrer jeweiligen Ausprägung. Um diese Jugend muss jedenfalls niemandem bange sein.

Erfolgsfaktoren …

Was an Fakten noch nachzureichen ist: Wer von den Schülern und Schülerinnen sich interessiert, sollte einen guten Notendurchschnitt aufweisen, wie der Rektor des Dürer-Gymnasiums erklärt, auch wenn es keine expliziten Mindeststandards gibt. Dass niemand aus finanziellen Gründen zu Hause bleiben muss, ist Anliegen der DATEV, denn das Sponsoring, das seit 1997 betrieben wird, besteht aus einer finanziellen Bezuschussung, über die die Schule nach eigenem Ermessen verfügen kann. Sie tut dies in der Weise, dass Familien mit kleinem Einkommen entsprechend unterstützt werden. Völlig unerklärlich ist bei alldem nur eines, nämlich warum 2016 nur vier Schüler, zwei Mädchen und zwei Jungen, den Mut aufgebracht haben, sich für ein Jahr USA zu entscheiden (gegenüber zwölf im Vorjahr). Auch Schulrektor Hauenstein hat dafür keine Erklärung. A propos Mut: Ja, ein wenig braucht’s den schon, und wenn die Jugendlichen vor der Abreise gefragt werden, welche Befürchtungen sie mit im Gepäck haben, dann hört man immer wieder „nicht recht anzukommen“ in der Schule, bei den Klassenkameraden, unter den Gleichaltrigen dort. Akzeptanz, Zugehörigkeit, einfach das „Gemocht-werden“ ist hier die einzig werthaltige Währung, in der Erfolg oder Misserfolg bemessen werden. Was dabei hilft und als universeller Türöffner fungiert, sind die „extracurricular activities“: Sport, Tanz, Cheerleading, Gardening …, nichts integriert „a guy or a girl from Germany“ schneller als sich hier einer Gruppe anzuschließen, so das übereinstimmende Votum und damit „der“ Tipp der Rückkehrer an die Abreisenden.

… einer Erfolgsgeschichte

Fazit: Nicht einer der Heimkehrer will dieses Jahr in den USA missen, alle kehren viel erwachsener zurück als sie aufgebrochen sind und für alle war es das spannendste, für manche gar das schönste Jahr ihres bisherigen Lebens. Dies befördert und in diesem Sinne daran Anteil zu haben, ist gewiss der eigentliche und schönste Dank, der DATEV für ihr Engagement zuteilwerden kann (auch wenn dieser natürlich in den Reden und Erlebnisberichten verbaliter nicht minder artig formuliert wurde). Im Juli 2017 kehren die vier jetzt verabschiedeten Kandidaten heim. Wir sind gespannt, was sie nächstes Jahr auf der „Welcome and Farewell-Party“ berichten …

Über den Autor

Carsten SeebassCarsten Seebass hat Germanistik und Geschichte studiert und ist nach Arbeitsstationen an der Universität und der GfK-Marktforschung seit 1993 Kommunikationsberater/Redakteur bei DATEV. Hier schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien, ist zuständig für Recherche und Redaktion zu Themen rund um Markt, Marke und Strategie. Er ist verantwortlich für zwei Newsletter und organisiert den DATEV Marketing Club. Außerdem berät er in allen Fragen zu Stil, Sprache und Ausdruck.