Teilzeitarbeit ist kein allzu neues Phänomen. Für viele junge Familien die einzige Möglichkeit, Zeit für die Zwerge zu haben und trotzdem nicht komplett aus dem Berufsleben auszusteigen. Aber Karriere kann man dann gleich vergessen, oder? Dass Kinder und Karriere vereinbar sind – ohne ein Elternteil zu sein, das nie da ist und alles verpasst – zeigt uns Stefan Bergner, Abteilungsleiter in Teilzeit.
Steigen wir gleich mal etwas provokant ein: Führung als Teilzeitpapa – kann das gut gehen?
Also das hat erstmal nichts mit Papa sein zu tun, es gibt ja auch genug Teilzeitmamas als Führungskräfte. Ja, es kann gut gehen. Das müssen andere beurteilen, aber für mich fühlt es sich gut an.
Du übst aktuell deine Stelle als Abteilungsleiter in Teilzeit aus?
Ich war noch nie Abteilungsleiter in Vollzeit, sondern von Anfang an in Teilzeit. Ich war als Teamleiter ein Jahr lang komplett zuhause, als mein Sohn auf die Welt gekommen ist und bin dann in Teilzeit zurückgekommen. Das zweite und dritte Jahr der Elternzeit, war ich dann Abteilungsleiter. Das kam in Absprache mit meinen Führungskräften, sowohl nach unten als auch nach oben. Die nach oben haben das vollumfänglich mitgetragen und meine Teamleiter genauso, weil da eine starke Verantwortung in der Stellvertretung auf sie zukam.
Wie hat dein berufliches Umfeld darauf reagiert?
Offiziell positiv. (lacht) Es gibt auch immer wieder mal kritische, oder neckende Kommentare. Es wird immer noch als ungewöhnlich angesehen, dass ich das als Mann mache. Wäre ich eine Frau, müsste ich mir an der Stelle weniger anhören, da es selbstverständlicher ist. Aber in Gänze wird es positiv gesehen. Allerdings immer ohne Rückschluss auf das eigene Leben, da machen es die meisten noch ganz klassisch mit zwei Vätermonaten. Ich habe Anderen immer Mut gemacht, habe erzählt, warum ich das tue und habe den Männern auch gesagt: Seid nicht so dumm und verpasst diese Zeit mit eurem Kind. Wir als DATEV kriegen das schon hin. Ihr kommt wesentlich flexibler zurück als ihr gegangen seid.
Wie bekommt man Familie und Beruf gut unter einen Hut? Wie ist das bei dir? Hast du Empfehlungen? Welche Eigenschaften sollte man mitbringen?
Das Wichtigste ist die Kommunikation des Zeitfensters, in dem man arbeitet. Im Kalender klar deutlich machen, wann man ansprechbar ist. Und bei Terminen, die darüber hinausgehen, mutig genug sein, diese auch mal abzusagen. Ich begründe hier auch immer, warum. Die Reaktion ist dann meistens positiv. Oft findet sich dann doch ein Zeitfenster am Vormittag, weil einfach nicht dran gedacht wurde. Ich persönlich arbeite nur bis 12:00 Uhr und nur in ganz strikten Ausnahmefällen länger. Wenn ich arbeite liegt die Kinderbetreuung bei meiner Frau und dann wechselt die Rolle. So ist es offiziell. In der Corona-Zeit ist das eine andere Challenge geworden. Beide zuhause, unser Kleiner geht nicht in den Kindergarten, das heißt wir switchen schon untertags öfter mal die Rollen. Wir sind flexibler geworden. Man versucht halt alles irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Und jammern hilft nicht. Das A und O ist: Mach deutlich wann du arbeitest, wie dein Modell ausschaut und halt dich selbst dran.
Schaffst du das gleiche Arbeitspensum oder hast du Aufgaben abgegeben?
Meine Stellvertretung greift immer dann, wenn ich nicht mehr arbeite, also ab Mittag. Das heißt, konkrete Aufgaben habe ich nicht abgetreten, sondern alles, was am Nachmittag anfällt, machen meine vier Stellvertreter. Ich glaube, ich schaffe sogar mehr Pensum. Als ich angefangen habe, nur in Teilzeit zu arbeiten, war ich noch vor Ort im Büro. Was dort weggefallen ist, waren die Gespräche zwischendrin. Der Plausch an der Kaffeemaschine hat mir natürlich einerseits gefehlt, aber andererseits wollte ich die Zeit, die ich im Büro hatte, möglichst effektiv nutzen. Da waren auch die Termine so getaktet, dass der eine geht und der nächste kommt. Die Termine habe ich auch größtenteils in meinem Büro gemacht, einfach um Wegstrecke zu vermeiden. Also es ist tatsächlich effizienter geworden.
Welche Konflikte kommen auf, wenn man in Teilzeit führt? Wie kann man diese lösen?
Bei mir sind das hauptsächlich Konflikte, die Termine betreffen, die ich aber in aller Offenheit kommuniziere. Wenn ich also sage, dass ich als Teilzeitmitarbeiter nicht an einem Termin teilnehmen kann, wird der Konflikt meistens dadurch gelöst, dass ich einen Stellvertreter schicke oder der Termin noch auf den Vormittag geschoben wird. Wir haben aber auch an der Transparenz von Informationen innerhalb der Abteilung gearbeitet. Wir wollen alle Dinge, die wir machen, besprechen oder beschließen, so transparent wie möglich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinterlegen. Die Informationen stehen zur Verfügung, die Führungskraft wird also gar nicht gebraucht. Diese Transparenz hat dazu geführt, dass die Mitarbeiter selbstständiger geworden sind. Ich spreche den Mitarbeitern auch Mut zu und sage ihnen, dass sie allein zu den Terminen gehen sollen, weil sie die fachliche Ahnung haben. Sie sollen die Entscheidung selbst treffen können und uns danach informieren, wie sie entschieden haben.
Was sind die wichtigsten Voraussetzungen, dass Führung in Teilzeit gelingt?
Zuallererst musst du kommunizieren, dass du das möchtest. Sonst wird keiner den Weg dafür freiräumen. Dann mach einen Plan wie es funktionieren kann. Skizziere wie deinen Arbeitszeiten aussehen werden und wie das Thema mit der Stellvertretung geregelt ist. Eine wichtige Botschaft ist: Ich habe mit meinen Teamleitern gesprochen, die übernehmen die Stellvertretung und sind einverstanden. Die Führungskraft über mir will ja wissen, dass das gelöst ist. Stell das Modell vor, wie es für dich passt und wie es für die Abteilung und DATEV passt. Das sind eigentlich die zwei Eckpunkte und drumherum finden sich alle Lösungen im Detail.
Wohin wird sich Führung in den kommenden Jahren aus deiner Sicht entwickeln? Wird Teilzeitführung der neue Standard?
Meine persönliche Einschätzung: Ich glaube, dass es immer selbstverständlicher wird, dass auch Führungskräfte in Teilzeit arbeiten, da es in der Lebenssituation notwendig ist. Wir werden uns immer mehr vom Thema Präsenz trennen. Wir lernen gerade zwangsläufig durch Corona, dass die physische Anwesenheit gar nicht so wichtig ist.