Immer mehr Unternehmen setzen auf „New Work”. Dieses Modell wurde in den 1970er Jahren vom österreichisch-amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann als Gegenstück zum Kapitalismus entwickelt. Das Kernelement des Modells: Freiheit – vor allem in Form von Handlungs- und Entscheidungsfreiheit – für den einzelnen Mitarbeitenden. New Work ist aber nicht mehr nur ein theoretisches Modell, sondern gelebte Realität – so auch am CETPM, einem Institut der Hochschule Ansbach. Academic Director am CETPM und Professor für Produktionsmanagement und Logistik, Prof. Constantin May, im Gespräch.
Professor May, was ist für Sie „New Work“?
Im Grunde ist es eine Bewegung, die Menschen einen Arbeitsplatz mit mehr Sinn bieten soll. Wo sie gerne hingehen und sich entfalten können. New Work ist, wenn die Leute am Montagmorgen sagen: „Gott sei Dank, endlich ist das Wochenende vorbei und ich darf wieder arbeiten.“
Und warum sollte man sich für New Work-Konzepte entscheiden?
Das hat mit verschiedenen Entwicklungen zu tun. Zum einen: die Demografische. Es kommen nicht mehr viele junge Arbeitskräfte nach. Ich sehe da durchaus ein Ringen um gute Talente. Und deswegen muss ich ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen. Außerdem haben die jüngeren Generationen, also „Generation Z“ und die darauffolgende „Generation Alpha“, ganz andere Ansprüche an ihre Arbeit. Früher galt eher das Ethos „Gib mir genug Geld, dann leiste ich gute Arbeit.“ Das reicht aber heutzutage nicht mehr, um jungen Menschen einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten. Die wollen mehr Empathie, mehr Wertschätzung, mehr Spaß an der Arbeit. Und New Work-Konzepte greifen diese Wünsche und Bedürfnisse auf. Der dritte Aspekt stützt sich auf die VUCA-Welt. In einer solchen Welt brauche ich als Arbeitgeber eigenständig denkende und handelnde Menschen, die sich in dieser komplexen Welt ihren Weg selbst suchen. Da kann ich als Führungskraft nicht alles vorgeben, sondern vielleicht nur die Richtung. Wie das Ziel erreicht wird, können die Mitarbeitenden dann selbstständig entscheiden. Für solche selbst denkenden Menschen braucht es natürlich eine andere Führungs- und Unternehmenskultur. Auch das wird mit New Work im Grunde angestrebt. (Anm. d. Red.: Das VUCA-Modell oder die VUCA-Welt beschreibt die Herausforderungen, die die digitalisierte Arbeitswelt beschäftigen. VUCA ist eine Abkürzung für Volatilität (volatility), Unsicherheit (uncertainty), Komplexität (complexity), Mehrdeutigkeit (ambiguity). Die Herausforderungen in dieser VUCA-Welt haben mit Schnelllebigkeit, Unsicherheit und einer erschwerten Orientierung zu tun.)
„New Work“ wurde von Frithjof Bergmann bereits Ende der 1970er Jahre entwickelt. Wie „neu” ist „New Work“ heute noch?
Neu ist immer schwierig. Neu hat eine geringe Halbwertszeit. Das Konzept mag zwar schon älter sein, aber die Grundgedanken dahinter sind nach meinem Gefühl erst die letzten vier, fünf Jahre in die allgemeine Wahrnehmung gerückt. Und auch, wenn man die Menschen in den Unternehmen fragt, werden es viele noch gar nicht kennen.
2019 hat Ihr Institut den „New Work Star“ in Bronze erhalten. Wie setzen Sie bei sich New Work-Konzepte um?
Wir wollen unseren Mitarbeitenden einen attraktiven Arbeitsplatz bieten. Das umfasst zum einen ergonomische Maßnahmen, andererseits haben wir auch die Möglichkeit für flexible Arbeitszeiten innerhalb der möglichen Grenzen geschaffen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit zum Homeoffice. Lange vor der Pandemie hatten wir daher schon die technischen Voraussetzungen geschaffen und konnten dann vom einen auf den anderen Tag auf Homeoffice umstellen. Außerdem haben wir ein regelmäßiges „Stand Up“ eingeführt. Dort besprechen alle zusammen die Zielentwicklung, die Verbesserungsideen und deren Umsetzung, was so ansteht. Wir pflegen also eine offene Informationskultur. Vom Führungsstil her haben wir auch noch einmal deutlich mehr auf Wertschätzung gebaut und das formalisiert an die Mitarbeitenden weitergegeben.
Und wie sehen diese flexiblen Arbeitszeiten aus?
Wir haben Vertrauensarbeitszeit. Die Leute arbeiten so viel, wie sie es für erforderlich halten. Bei uns am Institut gibt es Zeiten im Jahr, in denen mehr los ist, und Zeiten, da ist fast tote Hose. In den Sommerferien bucht kaum jemand Weiterbildung – und wir sind ja in erster Linie ein Weiterbildungsanbieter. Es ist bei uns also völlig normal, dass die Arbeitnehmenden auch mal nur kurz da sind. Wenn bei uns viel los ist, dann wissen sie aber von sich aus, dass sie dementsprechend mehr machen müssen. Da wir allerdings auch Kundenverkehr haben, müssen wir sicherstellen, dass jemand da ist. Dafür haben wir einen Früh- und Spätdienst, der einmal die Woche vom Team selbst eingeteilt wird.
Durch die Vertrauensarbeitszeit fördern wir die Eigenverantwortung unserer Mitarbeitenden. Wenn die Leute es gewohnt sind, sich die Arbeit selbst einzuteilen, dann muss ich mich als Führungskraft im Grunde gar nicht darum kümmern. Außerdem kann man mehr auf die Bedürfnisse eingehen: einige der Mitarbeitenden müssen zum Beispiel die Kinder bis um acht Uhr morgens in der Kita oder Schule abgegeben haben und können erst danach zur Arbeit kommen. Berücksichtigt man solche Bedürfnisse, erhält man letzten Endes eine bessere Performance.
Welchen Effekt sehen Sie bei ihren Mitarbeitenden?
Deren Zufriedenheit hat sich deutlich verbessert. Wir messen das anhand der Fluktuation, die früher deutlich höher war, und über ein Stimmungsbarometer, bei dem die Mitarbeitenden visuell mitteilen können, wie sie gerade drauf sind. Wir haben jetzt eine deutlich bessere Stimmung. Das spürt man letzten Endes auch, wenn man vor Ort ist. Es macht allen Spaß und dieser Funke der Begeisterung, der springt natürlich auch auf unsere Gäste, Kundinnen und Kunden über.
Solche Konzepte haben natürlich auch ihre Schattenseiten. Was sehen Sie als Nachteil von „New Work“?
Sagen wir’s mal so: Es ist nicht ganz so einfach, wie es sich anhört. Das Konzept passt nicht für alle Menschen, da Bedürfnisse sehr unterschiedlich sind. Manche wollen klarere Vorgaben oder scheuen sich davor, eigene Entscheidungen zu treffen. Da muss man sich schon differenziert jeden einzelnen Mitarbeitenden im Team ansehen und entscheiden, was er im jeweiligen Entwicklungsstadium braucht. Es macht keinen Sinn, ein Konzept blind zu verfolgen – man muss abhängig von der Situation und den Mitarbeitenden die richtigen Ansätze finden. Und man muss sich bewusst sein, dass eine Veränderung der Betriebskultur ein langer und schwieriger Weg ist.
Welche Tipps haben Sie für Geschäftsführer und Unternehmer, die „New Work“ umsetzen möchten?
Sie sollten sich einfach mit den eigenen Mitarbeitenden und ihren Bedürfnissen beschäftigen und damit die eigene Brainpower ermitteln. Das eigene Team kann kein Wettbewerber kopieren.
Und was kommt nach „New Work“ – oder geht es gar nicht mehr besser?
Es gibt immer Wellen mit neuen Konzepten. Oder nicht ganz so neuen Konzepten, die neu verpackt werden. Das ist ganz normal. Es tauchen immer wieder neue Bestrebungen auf, die im Prinzip in den New Work-Bereich fallen. Ich denke aber, diese Entwicklung hin zu Konzepten, die selbstdenkende, unternehmerisch handelnde Menschen fördert, wird definitiv weitergehen. Weg von Command and Control, hin zu einem Führungsverständnis, das die Entwicklung der Menschen mit ihrem kompletten Potenzial in den Vordergrund stellt.
Das CETPM (https://www.cetpm.de), ein Institut an der Hochschule Ansbach mit Sitz in Herrieden, bietet Fach- und
Führungskräften den Ausbau von Kompetenzen sowie persönliche Weiterentwicklung durch ein umfangreiches Angebot an Seminaren, Lehrgängen mit Hochschulzertifikat, Workshops und Netzwerkveranstaltungen. Mit Vor-Ort-Unterstützung hilft das CETPM Unternehmen bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen und stellt sicher, dass die angestrebten Erfolge erzielt werden.