Ein Gespräch mit Betriebsärztin Dr. Claudia Helios und dem psychologischem Berater und Integrativ-Coach Eckhard Klomfass.

Homeoffice – Mentaler Fluch statt Segen

von am Dienstag, 6 April 2021
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Mental Health Die Arbeit im Homeoffice war lange Zeit begehrt, bringt jedoch auch ungeahnte Folgen mit sich. Im Gespräch verraten Betriebsärztin Dr. Claudia Helios und der psychologische Berater und Integrativ-Coach Eckhard Klomfass, wie die mentale Gesundheit leiden kann und was sich dagegen tun lässt.

Belastung im Homeoffice

„Wir wollen nicht, dass unsere Mitarbeitenden im Homeoffice arbeiten.“, „Im Homeoffice leidet die Arbeit oder wird nicht verrichtet“, „Die Mitarbeitenden müssen vor Ort sein, um wirklich arbeiten zu können.“ All diese Ängste von Führungskräften mussten 2020 aus dem Fenster geworfen werden. Die COVID-19-Pandemie zwang den Großteil der deutschen Unternehmen, auf hybrides Arbeiten umzustellen oder die Angestellten teils vollständig ins Homeoffice zu schicken. Auch bei der DATEV ist die Arbeit aus dem Homeoffice Teil des beruflichen Alltags geworden, was bei vielen Mitarbeitenden zu Entlastungen im Privatleben geführt hat. Die Anreise zum Arbeitsplatz hat sich auf den Gang in das heimeigne Büro verkürzt, Pendler können aus größeren Distanzen normal weiterarbeiten und die Zeit, die man privat mit der Familie oder dem Hobby verbringt, hat sich deutlich ausgedehnt.

Doch so romantisch die Vorstellung des Homeoffice auch klingt, desto gravierender können die Folgen der isolierten Arbeit zuhause sein. Die Realität des Homeoffice birgt Gefahren wie einen nicht optimal ausgestatteten Arbeitsplatz. Die Kommunikation mit den Kollegen wird auf E-Mails reduziert und selbst diverse Videokonferenz-Tools können eine Face-to-Face Unterhaltung nicht ersetzen. Auch die Ablenkung durch Kinder sorgt für Kopfschmerzen. Diese wollen nämlich, wenn die Eltern schon zu Hause sind, auch unterhalten werden.

 

Das psychische Wohlbefinden der Menschen ist eng verzahnt mit ihren sozialen Kontakten“

Vor allem die Einsamkeit im Homeoffice kann die mentale Gesundheit enorm belasten. Eckhard Klomfass, psychologischer Berater und Integrativ-Coach, erklärt, dass das Miteinander mit anderen Menschen einem Grundbedürfnis gleicht: „Das Gefühl der Zugehörigkeit ist digital nicht herzustellen. Wir als Menschen brauchen einen stetigen Gefühlsaustausch, um einander wahrzunehmen.“ Isolation von anderen kann unterschiedliche Ängste schüren. Dies fand bereits 2013 eine Studie aus Neuseeland heraus. Die Studie der Forschenden Amber L. Pearson, Edward Griffin, Anna Davies und Simon Kingham erkannte, dass Menschen, die in Gegenden mit einer geringen Population leben, deutlich wahrscheinlicher an Stimmungsschwankungen, Angstzuständen und Depressionen leiden, als Menschen, die in größeren Städten wohnen. Die Corona-Pandemie schürt darüber hinaus Ängste, die es in diesem Ausmaß in den letzten Jahren nicht gab. „Die Welt erlebt gerade einen emotionalen Tiefgang wie noch nie“, berichtet Eckhard Klomfass, „die junge Generation hat Angst vor einer nicht lebenswerten Zukunft, während die älteren Mitglieder unserer Gesellschaft eine verstärkte Angst um das Überleben haben.“

Auch Dr. Claudia Helios, die seit 2010 Betriebsärztin der DATEV ist, kann diesen Trend bestätigen und erklärt, dass das psychische Wohlbefinden der Menschen eng mit deren sozialen Kontakten verzahnt ist. Eine Umfrage unter Mitarbeitenden innerhalb der DATEV hat in diesem Zusammenhang ergeben, dass die Mitarbeitenden auch künftig ihre Tätigkeit nicht vollständig in das Homeoffice auslagern wollen. „Es mag Einzelfälle geben, für die eine dauerhafte Verrichtung ihrer Arbeit im Homeoffice ohne Probleme möglich ist, aber die Mehrheit der Mitarbeitenden wird vermutlich auch in Zukunft regelmäßig Arbeitstage vor Ort einplanen“, erklärt Dr. Helios.

„Die mentale Gesundheit lässt sich nicht getrennt von der körperlichen Gesundheit betrachten.“

Wer Anzeichen einer psychischen Überbelastung verspürt, sollte diese gerade in Zeiten des hybriden Arbeitens ernst nehmen und seine

Ängste und Gedanken nicht für sich behalten. Denn nicht nur körperliche Beschwerden  können ein Krankheitsanzeichen sein. „Die mentale Gesundheit lässt sich nicht getrennt von der körperlichen Gesundheit betrachten, da beides ineinandergreift. Menschen mit psychischen Erkrankungen haben meist auch körperliche Beschwerden“, weiß die Betriebsärztin.

Für DATEV-Mitarbeitende ist Dr. Claudia Helios auch die Ansprechpartnerin bei psychosozialen Problemen und psychischen Belastungen. Der erste Schritt hierbei ist ein Analysegespräch, um Lösungsansätze zur Verbesserung der Lage zu erarbeiten. Wer sich an Dr. Helios wendet, wird bei Bedarf auch im Gespräch mit der jeweiligen Führungskraft unterstützt. „Wenn die Ursache rein beruflicher Natur ist, kann auch ein betriebliches Eingliederungsmanagement gestartet werden, in dem wir in größerer Runde (Mitarbeitende, Führungskraft, Betriebsrat, Betriebsarzt, Personalabteilung) Maßnahmen ableiten, die die Gesamtsituation verbessern können. Generell steht der Betriebsrat ebenso für Beratungsgespräche zur Verfügung, wie die Mitarbeitenden des Mitarbeiterservice“, versichert die Ärztin.

Mitarbeitende, die sich nicht direkt an jemanden innerhalb der Firma wenden möchten, haben natürlich auch die Chance, sich externe Hilfe zu suchen. „Zusätzlich hat jeder Mitarbeitender die Möglichkeit, die externe Mitarbeiterunterstützung Diaphon in Anspruch zu nehmen, wenn er Unterstützung benötigt“, so Dr. Claudia Helios.

Tipps zur Verbesserung der mentalen Gesundheit

Dr. Claudia Helios

Für die mentale Gesundheit ist wichtig, dass man seine Balance zwischen Arbeit und Freizeit auch im Homeoffice im Gleichgewicht hält. Optimal ist ein Arbeitsplatz, der vom eigentlichen Privatbereich getrennt ist, sodass man ihn verlassen und die Arbeit beenden kann.

Jeder sollte sich bewusst machen, wobei er entspannen kann und sich dafür gezielt Zeitfenster im Tagesablauf einbauen. Essentiell ist auch ausreichender und erholsamer Schlaf. Wer zu wenig oder schlecht schläft, leidet mittelfristig an Erschöpfung und Antriebslosigkeit, bis hin zu depressiver Verstimmung und kognitiven Einschränkungen.

Eckhard Klomfass

Man sollte sich auf das besinnen, was sich in unmittelbarer Umgebung befindet und Freude zu Hause und der Familie finden.

Körperliche Ertüchtigung tut nach einem Tag im Homeoffice gut. Es muss nicht ausgiebiger Sport sein, ein Spaziergang reicht schon. Man sollte versuchen, mindestens 15 Minuten draußen an der frischen Luft zu verbringen.

 

Von Melanie Meindel