Schreibtisch gegen Hängematte tauschen? Für viele nur am Wochenende oder nach Feierabend möglich. Doch auch in diesen viel zu knappen Zeitfenstern wartet die Konkurrenz: Haushalt, soziale Verpflichtungen oder das DIY-Projekt, das man schon ewig fertig haben wollte – die Hängematte zieht da oft den Kürzeren. Die Lösung: ein Sabbatical. Man zieht sich für eine gewisse Zeit aus dem Berufsleben zurück und kann die Zeit nur für sich selbst nutzen. Wie das abläuft, was man mit der geschenkten Zeit anfangen kann und wie das mit dem Geld aussieht verraten uns Stephanie Abzieher und Tanja Pfeiffer. Heute erzählt uns Stephanie Abzieher über ihr Sabbatical.
Stephanie, warum wolltest du ein Sabbatical machen?
Mein Hauptgrund war damals, dass ich den Jakobsweg gehen wollte. Dafür braucht man circa fünf bis sechs Wochen Zeit und mit meinen sechs Wochen Jahresurlaub war mir das einfach zu knapp. Außerdem wäre dann auch der ganze Urlaub mit einem Mal weg gewesen, deswegen habe ich mich entschieden, diesen Traum im Rahmen eines Sabbaticals umzusetzen.
Welche Schritte gab es von der ersten Idee bis zur tatsächlichen Umsetzung? Wie sieht der Prozess bei DATEV aus?
Der erste Schritt ist die Idee. Zuerst habe ich dann meinen Plan mit meinem People Manager und dem Product Owner abgesprochen und anschließend einen Antrag gestellt. Nachdem der freigegeben wurde, hat die Personalabteilung einen Zusatzvertrag erstellt. Dafür sollte man circa drei Monate Vorlauf einplanen, bevor man in die Ansparphase startet. Da bekommt man automatisch weniger Gehalt, der Rest geht auf das Freistellungskonto. Darauf hat man selbst keinen Zugriff, das regelt alles die Personalabteilung. Wenn dann die Freistellungsphase startet, wird das Gehalt automatisch über das Freistellungskonto ausbezahlt. Eine wichtige Voraussetzung ist bei uns, dass man schon drei Jahre einen festen Vertrag hat, außerdem ist man nach seinem Sabbatical wiederum für drei Jahre gesperrt, bevor man das nächste beantragen kann.
Für ein Sabbatical gibt es unterschiedliche Modelle. Welches Modell hast du gewählt?
Ich hatte das Modell 3:1. Das heißt man bekommt 75% seines Brutto-Gehalts ausbezahlt und die restlichen 25% gehen auf das Freistellungskonto. Ich persönlich habe dann neun Monate angespart und war anschließend drei Monate weg.
Womit hast du dein Sabbatical verbracht?
Ich war erst vier Wochen in Costa Rica und habe dort Freiwilligenarbeit in einem Schildkrötenprojekt geleistet. Danach bin ich dann den kompletten Jakobsweg gelaufen, 800 Kilometer durch Spanien bis nach Santiago de Compostela. Das war wirklich eine geniale Zeit, weil es extrem abwechslungsreich war. Sowohl diese körperliche Betätigung als auch in Costa Rica an einem Umweltprojekt mitzuarbeiten – das war einfach die perfekte Mischung für mich.
Was hast du aus deinem Sabbatical mitgenommen? Haben sich deine Erwartungen erfüllt? Hast du dein Ziel erreicht?
Absolut. In Costa Rica konnte ich ganz andere Eindrücke bekommen, die Menschen dort und deren Lebensweise kennen lernen. Auf dem Jakobsweg wollte ich einfach zu mir finden, die Natur und die Herausforderung an mich selbst genießen. Sehr viele dieser Eindrücke konnte ich dann auch wieder mit in die Arbeitswelt nehmen.
Hast du ein weiteres Sabbatical geplant?
Ja, ich habe letztes Jahr ein weiteres Sabbatical beantragt. Ich starte im Dezember 2021 in die Freistellungsphase, aber dieses Mal für ein halbes Jahr statt für drei Monate. Für mich war nach dem ersten Sabbatical sehr schnell klar, dass ich wieder eines beantragen werde, sobald die Sperrfrist vorbei ist.
Was hast du in deinem neuen Sabbatical vor? Welches Modell hast du diesmal gewählt?
Aktuell plane ich, durch Südamerika zu reisen. Ich möchte das auch wieder mit ein paar Wochen Freiwilligenarbeit, einem Umweltprojekt und einem sozialen Projekt verbinden. Ansonsten möchte ich einfach die Kultur kennenlernen und mein Spanisch verbessern. Danach möchte ich auch wieder einen Jakobsweg gehen, dieses Mal aber an der spanischen Küste entlang. Aufgrund der Dauer habe ich mich dieses Mal aber für ein 2:1 Verhältnis entschieden. Das heißt, ein Jahr ansparen und ein halbes Jahr Freistellung, allerdings zahlt man auch mehr von seinem Gehalt auf das Freistellungskonto ein.
Welche Vor- und Nachteile siehst du in einem Sabbatical? Ist es eventuell ein Problem für die Karriere, so eine längere Pause zu haben?
Zum einen hat man hat man die Möglichkeit, für eine längere Zeit aus dem normalen Berufsleben auszusteigen, neue Eindrücke zu gewinnen. Diese Impulse kann man dann wieder ins Unternehmen mitnehmen. Davon profitiert nicht nur der Mitarbeiter, sondern auch das Unternehmen. Während eines Sabbaticals hat man – egal was man macht – eine andere Brille auf, lernt andere Sichtweisen kennen und kommt mit aufgetankter Energie in den Job zurück und kann frisch durchstarten. Mein Sabbatical hat mich total geerdet. Sowohl in Costa Rica, also auch auf dem Jakobsweg lebt man einfach, ohne großen Luxus. Man merkt wie gut man es hat, wie dankbar man sein kann. Durch das laufende Gehalt ist man auch weiterhin krankenversichert, man hat einen regelmäßigen Geldfluss und kann dadurch viel unbeschwerter reisen. Auf der anderen Seite muss man sich durchrechnen, was das verminderte Gehalt für einen bedeutet. Ein Nachteil ist ganz klar, dass man eine bestimmte Zeit aus dem Job raus ist. Das Leben in der Firma geht weiter und man verliert eventuell erstmal den Anschluss.
Wie bereitet man sich auf so eine „längere“ Ausfallzeit vor?
Drei Monate sind ein überschaubarer Zeitraum. Damals war ich in der Kundenbetreuung tätig und habe mir in Abstimmung mit meinen Vorgesetzten ein Vertretungssystem überlegt. Ich wollte meinen Kollegen nicht zumuten, dass sie meinen Job zu 100% zusätzlich zu ihrer Arbeit machen, deswegen haben wir uns für ein rotierendes System unter den Kollegen entschieden. Die jeweiligen Zeiträume habe ich dann auch mit den einzelnen Kollegen abgestimmt. Bei meinem anstehenden Sabbatical bin ich aktuell dabei auszuloten, inwieweit ich meine Aufgaben übergeben kann. Die Kollegen sollen ja nicht den ganzen Mehraufwand haben, andererseits sollte die Arbeit auch nicht komplett liegen bleiben. Man braucht auf jeden Fall die Unterstützung der Kollegen und der Führungskraft – ohne die geht es nicht.
Wie war die erste Woche „Back in Business“?
Es war nicht einfach. Das lag auch daran, dass ich fast nur draußen unterwegs war. Dann wieder in einem Büro zu sitzen war vor allem am ersten Tag hart. Meine Kollegen haben mich sehr dabei unterstützt, dass ich mich schnell wieder in die Themen einarbeiten konnte. Jeder der ein Sabbatical beantragt sollte sich bewusst sein, dass man selbst dafür verantwortlich ist, den Einstieg ins Berufsleben nach dem Sabbatical auch mental gut hinzukommen. Die erste Woche war nicht einfach, aber man kann sich schnell wieder eingewöhnen, wenn man die richtige Einstellung hat und die Kollegen einen unterstützen.
Wie haben deine Vorgesetzten und deine Kollegen auf deinen Plan, ein Sabbatical zu machen reagiert?
Die Kollegen haben sich sehr für mich gefreut. Bei meinen Vorgesetzten hat sich die Begeisterung erstmal in Grenzen gehalten, wegen der Vertretungsthematik, aber sie haben es mir trotzdem ermöglicht. Nach meinem ersten Sabbatical habe ich tolles Feedback von Führungskräften und Kollegen bekommen, dass ich sehr viele meiner neuen Impulse in meine Arbeit einfließen lasse. Auch dieses Mal habe ich sofort die Genehmigung und die Unterstützung der Chefs bekommen.
Was empfiehlst du Kollegen, die überlegen, ein Sabbatical zu machen? Worauf sollte man sich einstellen?
Ich kann es nur empfehlen. Das ist so eine tolle Möglichkeit und viele Unternehmen bieten das leider gar nicht an. Durch die verschiedenen Modelle findet sich für jeden eine passende Lösung, ob drei, sechs oder zwölf Monate Freistellung. Man kann danach mit frischen, neuen Impulsen und Elan wieder durchstarten und das bereichert am Ende auch das Unternehmen.
Unsere Interviewpartnerin: Stephanie Abzieher
ist seit 2010 bei DATEV im Vertriebsinnendienst tätig. Wenn nicht gerade eine Pandemie die Welt beherrscht, ist sie so oft es geht auf Reisen und lernt fremde Kulturen kennen.