Schlechte Chefs gibt es, seit es Chefs gibt.

Mein Chef, der Idiot!

von am Freitag, 16 April 2021
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Habt Ihr Euch auch schon mal gefragt, wie es der unfähige Kasper ins Einzelbüro der Chefetage geschafft hat? Kann ich Euch verraten: Mit dem Peter-Prinzip. Die beiden US-Autoren Laurence J. Peter (daher der Name) und Raymond Hull haben das Phänomen 1969 benannt und erkannten: Es gibt sie, die Spitzenunfähigkeit, aka das Peter-Prinzip (oder „Unfähigkeitsprinzip“). Das meint, dass in jeder Hierarchie Beschäftigte so lange befördert werden, bis sie auf einen Posten hängen bleiben, auf dem sie final inkompetent sind. Folglich wäre dann in jedem Unternehmen jede Stelle irgendwann mit einem Mitarbeiter besetzt, der mit seiner Aufgabe völlig überfordert ist. Es entsteht eine Hierarchie der Unfähigkeit.

Ist natürlich satirischer Quatsch. Und auch wieder nicht. Denn es gibt sie sehr wohl, die inkompetenten Führungskräfte, wenn auch nicht nur; laut einer Studie der Internationalen Hochschule Bad Honnef Bonn (IUBH) ist sogar jede dritte Führungskraft eine Fehlbesetzung. Zu häufig wird bei Stellenbesetzungen auf Management-Ebene nach Sympathie, Auftreten oder fachlichem Können entschieden – zu wenig auf die restlichen Fertigkeiten geachtet, die man zum Führen schon auch noch mitbringen sollte. Stimmt, man wächst mit den Aufgaben. Stimmt nicht: Die eigenen Stärken wachsen mit.
Studienleiter Laurence J. Peter fand tatsächlich bei seinen Recherchen viele Fälle, bei denen Menschen von einer für sie perfekt passenden Position befördert wurden – nur um dort mit Pauken und Trompeten zu scheitern; an der eigenen Inkompetenz.

Mensch, bin ich gut

Laut einer Gallup-Untersuchung von 2019 haben fast sechs Millionen Arbeitnehmer in Deutschland innerlich gekündigt. Der Grund liegt häufig auch in den fehlenden Führungsqualitäten. Aber die Führungskräfte wiederum kommen gar nicht auf die Idee, dass das Problem eigentlich sie selbst sind, denn, im Gegensatz zu ihren Mitarbeitern, sind sie meist vollkommen überzeugt von der eigenen Kompetenz.
Und wie so Vieles, hat auch diese Selbstüberschätzung einen Namen: Dunning-Kruger-Effekt (benannt nach dem Psychologen David Dunning und Justin Kruger von der Cornell University). In einer Studie konnten die beiden nachweisen, dass gerade Menschen mit wenig ausgeprägten Kompetenzen dazu neigen, ihre Fähigkeiten stark zu überschätzen. Was andere in den Wahnsinn treibt, zahlt sich für die Betroffenen aus, denn sie haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, die Karriereleiter ordentlich weit hoch zu kommen.
Das klappt, weil psychologisch erwiesen ist, dass wir selbstbewussten Menschen mehr Potenzial zur Führung zuschreiben. Dabei gebe es bei Führungsqualitäten nur eine sehr geringe Überschneidung von Selbstbewusstsein (für wie gut sich Menschen auf einem Gebiet halten) und tatsächlicher Kompetenz (wie gut sie tatsächlich in etwas sind).

Wieso kommen also immer wieder Menschen in Positionen, in denen sie nicht sein sollten?

These 1: Lametta Posten

Das Team, der Putztrupp und allen voran die Chefinnen und Chefs selbst, wissen, dass der Kollege oder die Kollegin eigentlich vollkommen unfähig für die angepeilte Leitungsposition ist. Trotzdem wird er oder sie weiterentwickelt. Dies füttert zum einen die Hoffnung der Außenstehenden „Na, wenn das sogar der oder die schafft, klappt’s vielleicht bei mir auch noch.“ Zum anderen wird dabei selten bedacht: Wer auf der neuen Position nicht liefert, kann qua mangelnder Leistung auch entsprechend einfacher gekündigt werden. Ist eben nicht alles Lametta, was glänzt – oder so.

These 2: Status-quo-Effekt

Wer einmal gute Leistungen erbracht hat, dem werden häufig auch künftig gute Leistungen unterstellt. Die Beton-Eins kennt Ihr vielleicht noch aus der Schulzeit. Sie war den Einserschülerinnen und -schülern im Prinzip immer sicher. auch wenn manche ihrer Leistungen de facto gar nicht so prall waren.

These 3: Blender

Es gibt sie, die Kolleginnen und Kollegen, die gestern, nach eigener (lautstarker) Bekräftigung, noch bis 23 Uhr am Konzept gesessen, die Idee für die Kampagne ja eigentlich schon vor Wochen hatten und auch am Jogginghosen-Freitag im High-End-Business-Outfit durch die Büros hüpfen. Blender eben. Weil sie meist laut und durchaus aufdringlich sind, werden sie von den Vorgesetzten ge- und erhört. Effektivität ist nicht gleich Effizienz. Laut heißt nicht unbedingt gut. Hat sich noch nicht überall rumgesprochen – auch sie dürfen eine Runde weiter.

These 4: Fehleinschätzung

Die Krux der Beförderung interner Mitarbeiter ist häufig – man kennt sich. Denkt man zumindest. Muss aber gar nicht so sein. Denn nur weil jemand auf fachlicher Ebene geglänzt hat, muss er noch lange kein guter Manager oder eine gute Managerin sein: Motivieren, Organisieren, Druck aushalten ohne ihn weiterzugeben ist nicht jedermanns Sache.

These 5: Kaschierte Inkompetenz

Vielen Chefinnen und Chefs sieht man ihre Überforderung schon an der Nasenspitze an. Und andere wiederum reden selbstbewusst sehr viel drum herum und delegieren Aufgaben. Die fähigen Mitarbeiter erledigen praktisch die ganze Arbeit, sodass die Unfähigkeit des Vorgesetzten von der Außenwelt nicht sofort erkannt wird. Clever ist das ja schon.

These 6: Wer nervt gewinnt

Manchmal sind es aber auch die Kolleginnen und Kollegen mit extra langem Atem, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verstehen geben: Ich will weiter. Auf mögliche Hinweise „lass das mal lieber bleiben“ reagieren sie mit gekonnter Ignoranz. Irgendwann ist der Krug (der sprichwörtliche) lange genug zum Brunnen gegangen – und bricht. Der Chef gibt auf, lobt die Nervensäge auf einen weit entfernten Posten in einer weit entfernten Unternehmensgalaxie und denkt sich beim Nachwinken „Sollen sich doch andere mit dem oder der rumschlagen“.

These 7: Charisma gewinnt

Organisationspsychologe Tomas Chamorro-Premuzic sieht führungsmäßig ein Trend, der mit der Digitalisierung einhergeht: Das Bedürfnis nach charmanten und unterhaltsamen Anführern. Sie üben Anziehungskraft auf andere und damit kompetent. „Wir haben schon immer berühmte Menschen bewundert, aber unsere Bewunderung für Menschen, die sich selbst bewundern und die einfach nur dafür bekannt sind, berühmt zu sein, steigt seit Jahrzehnten“, so Chamorro-Premuzic in einem Interview auf zeit-online.de im Jahr 2019. „In Wirklichkeit sind die besten Führungskräfte eher bescheiden als charismatisch, so sehr, dass sie manchmal sogar langweilig sind“, sagte Chamorro-Premuzic.

Kompetente Führungskräfte begeistern mit Lernfähigkeit, Integrität, emotionaler Intelligenz und sozialer Kompetenz. Sie machen aus einzelnen Leuten ein Team, das gemeinsam das schafft, was einer allein nicht hinbekommt – und zwar besser als alle anderen Teams und obendrauf noch mit Spaß an der Sache.
Papa, Bernd Stromberg hat’s auf den Punkt gebracht: „Chef ist kein Job für Eierlose. Chef ist wie ein Wecker. Keiner will ihn, jeder hasst ihn, aber ohne ihn würden alle immer pennen.“

Hier schreibt für euch:

Astrid Schmitt

…ist seit 2014 Teil des DATEV-Redaktionsteams. Die studierte Journalistin schreibt für alle Formate on- wie offline: Blogs, Internet, Intranet, DATEV-Magazin und das Mitarbeitermagazin „Grünfink“.
Neben ihren beiden Kindern bleibt ihr meist nicht mehr so viel Zeit, wenn aber doch, stehen Sport, Freunde treffen oder der Garten auf Astrids ToDo-Liste ganz weit oben.